Unsere Mitglieder wissen, wie’s geht!

Was wissen wir eigentlich über unseren Friedhof?

In den meisten Fällen wird ein Friedhof eher „oberflächlich“ betrachtet. Dabei geht es um Grabangebote, Gestaltung, Grabpflege und Grabsteine.

Wenn wir die Oberfläche verlassen und uns dem Untergrund des Friedhofs zuwenden, dann betreten wir einen Bereich, der kurzfristig als sogenannte Gruft geöffnet wird und dann für die Dauer der Ruhefrist verschlossen bleibt. Was genau in 20 oder sogar 30 Jahren nach der Sargbeisetzung passiert, ist meist nicht genau bekannt- Hauptsache das Grab ist anschließend sauber.

Als Michael C. Albrecht vor 30 Jahren seine ersten Bodenuntersuchungen auf Friedhöfen durchführt, stehen hygienische und gesundheitliche Fragen im Vordergrund. Bei der Bearbeitung tauchen viele Fragen auf, so dass er hier recherchiert und ein Netzwerk mit Experten aufbaut.

Mittlerweile sterben in Deutschland pro Jahr fast 940.000 Menschen. Selbst, wenn der Urnenanteil bundesweit bei 60 % liegt, so finden immer noch fast 380.000 Körperbeisetzungen auf Friedhöfen statt. Im Vergleich zur technisch optimierten Leichenverbrennung im Krematorium in nur einer Stunde, dauert der Leichenabbau im Boden 219.000 Stunden (bei 25 Jahre Ruhefrist) und ist auch in Zeiten von Digitalisierung und Internet technisch nicht steuerbar.

Obwohl sich die grundlegenden Prozesse des Leichenabbaus seit Anbeginn der Menschheit nicht verändert haben, ist die Kenntnis über Zusammenhänge davon nicht unbedingt präsent.

Der Reiz, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, liegt darin, die Stellschrauben für einen vollständigen Leichenabbau richtig zu justieren und dabei aktuelle Entwicklungen und Anforderungen zu berücksichtigen. Das Thema Verwesungsstörungen ist zeitweise Schwerpunkt der Arbeit von Michael C. Albrecht und dann auch Grundlage für seine Doktorarbeit.

Wer weiß was?

Die einzelnen Bundesländer haben Bestattungsgesetze erlassen, die unterschiedlich detaillierte Angaben für den Bereich Friedhof enthalten. Die geologischen Landesämter bieten in einzelnen Bundesländer Beratung an und führen manchmal auch Grundlagenuntersuchungen durch. Ansonsten werden diese Leistungen auch von Ingenieurbüros angeboten. Dabei stellt sich dann manchmal heraus, dass das Ergebnis einer Baugrunduntersuchung nicht für die Bewertung des Friedhofs ausreicht.

Beratung und viele offene Fragen

Zu Beginn der 90-er Jahre werden viele Friedhofserweiterungen durchgeführt und Dr. Michael C. Albrecht führt hierzu entsprechende bodenkundlich Untersuchungen durch. Es zeigt sich dann aber, dass es zu vielen grundlegenden Regelungen in geltenden Friedhofssatzungen, wie der Bemessung der Ruhefrist oder der Frage der Grabtiefe weder nachvollziehbare Grundlagenuntersuchungen, noch klare Vorgaben zur Bemessung gibt.

Dokumentation von Graböffnungen

Ende der 90er Jahre zeigt sich bei vorgenommenen Wiederbelegungen von Gräbern, dass die festgelegte Ruhefrist scheinbar nicht ausreichend lange bemessen war.

Michael C. Albrecht führte ab 1998 ein Dokumentationsverfahren bei Graböffnungen ein. Diese Verfahren wurden im Laufe der Zeit verfeinert und dienten dazu, den Verwesungszustand in einem Grab zu erfassen und zu bewerten. Bis heute wurden über 500 Graböffnungen nach diesem einheitlichen Dokumentationsverfahren durchgeführt und somit liegt ein großer Datenpool für die Bewertung von Graböffnungen vor.

Bemessung der Ruhefrist mit RuheSoft

Basierend auf den Daten der Dokumentation wurde das Förderprojekt RuheSoft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit der Fachhochschule Osnabrück durchgeführt. Hierbei ging es um die Prognose der voraussichtlichen Dauer des Leichenabbaus unter definierten Rahmenbedingungen und dient somit der Berechnung der Ruhefristen von Sarg-Erdbestattungen auf Friedhöfen.

Versuchsfriedhof Wennigsen

Seit 2006 leitet Michael C. Albrecht den Friedhof der evangelischen Kirchengemeinde in Wennigsen. Um den vielen offenen Fragen nachgehen zu können, wurden in Wennigsen auf dem Friedhof verschiedene Versuchsfelder angelegt. Neben unterschiedlichen Grabbepflanzungen wurden auch verschiedenen Substrate für die Grabverfüllung verglichen. Weiterhin fanden mehrjährige Gasmess-Reihen und Grabbelüftungen an abgelaufenen Gräbern statt.

Grenzen der klassischen Bodenuntersuchung

Die langjährige Untersuchung von Friedhöfen und die Entwicklung von neuen Methoden durch Dr. Michael C. Albrecht zeigt auch die Grenzen auf: „Die klassische Beurteilung einer Friedhofsfläche durch Bodenuntersuchung ist eine wesentliche Grundlage, gibt jedoch keine absolute Sicherheit, dass die Verwesung von Leichen auch definitiv so abläuft, wie es in der Idealvorstellung sein sollte.“

Ermittlung des Verwesungszustandes durch Gasmessung an abgelaufenen Gräbern

Im Rahmen des Verwesungsprozesses findet der Abbau der organischen Substanz der Leiche unter Freisetzung CO2 und Wasser statt. Wenn der Verwesungsprozess abgeschlossen ist, sollte sich nahezu der natürliche CO2- und O2-Gehalt der Umgebungsluft auch im Boden einstellen. Ist der Verwesungsprozess noch nicht abgeschlossen oder liegen ungünstige Verwesungsprozesse vor, so spiegelt sich dies in erhöhten CO2- und niedrigen O2-Werten wider.

Um diesen Sachverhalt messtechnisch erfassen zu können, wurden von Dr. Michael C. Albrecht spezielle Bodenluft-Sonden entwickelt, die mit einem mobilen Gasanalysegerät direkt vor Ort eingesetzt werden.

Problemfriedhöfe

Die Untersuchung von Friedhöfen und die proaktive Bearbeitung eines Problems, wie dem Vorkommen von Verwesungsstörungen wird nicht von allen Beteiligten und Friedhofsverwaltungen positiv aufgenommen. In einigen Fällen wird auch klar zum Ausdruck gebracht, dass dies Art von Problemen nicht bearbeitet werden sollen.

Rückblickend betrachtet, handelt es sich bei den bisher untersuchen Problemfriedhöfen, um Standort, wo

  • in der Vergangenheit keine fundierte Grundlagenuntersuchung über die Eignung durchgeführt worden ist.
  • die technisch machbare Grabtiefe zu groß ist
  • die Satzungsregelungen nicht umgesetzt wurden.
  • die Oberfläche des Grabes versiegelt ist.

Gerade in Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung des Friedhofs ist es wichtig, die geeigneten Stellschrauben richtig zu justieren. Dazu müssen allerdings entsprechende Grundlagendaten vorliegen.

Wie geht es weiter?

„Die Fragen zum Thema Friedhof werden nicht weniger, auch wenn wir in den letzten 30 Jahren schon viel beantwortet haben“, so die Aussicht von Dr. Albrecht. Gerade im Bereich der Friedhofsentwicklungsplanung wird der Aspekt Boden und Eignung nur selten berücksichtigt. Dabei gibt es gerade in Zeiten von Klimawandel und nachhaltiger Bewirtschaftung besondere Anforderungen zu erfüllen.

„Dabei muss neben der Sargbeisetzung auch die Urne entsprechend berücksichtigt werden, wie die Untersuchungen des Umweltbundesamtes zeigen“.

Dr. Michael C. Albrecht
Friedhofsverwaltung Wennigsen
Mitglied im VFD

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner